Warum es sich lohnt seinen Führungskräften zu vertrauen | Interview mit Frau Dr. Marion Friers, Geschäftsführerin der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken

1. FRAGE VPG:

Frau Dr. Friers, Sie haben vor wenigen Jahren die Geschäftsführung für den Bereich Personal, Pflege & Kommunikation in den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken übernommen. Was waren hierbei – bezogen auf das Thema Führung – Ihre größten Herausforderungen?

ANTWORT Frau Dr. Friers:

2012 setzte der Vorstand der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken eine umfassende Umstrukturierung der Kliniken auf. Hintergrund war natürlich die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu erhöhen. Ein wesentliches Element dabei war die Veränderung in der Managementstruktur selbst mit dem Ziel die wenig zeitgemäße und als patriarchalisch zu bezeichnende Führung abzulösen und in der Geschäftsführung die unterschiedlichen Kompetenzen und Qualifikationen moderner Unternehmensführung zu verbinden. Herausforderungen gab es einige, in Bezug auf das Thema Führung waren es aber vor allem zwei Aspekte: Patriarchalisch geführte Organisationen bringen es mit sich, dass Mitarbeiter – auch Führungskräfte – ihre Führungsverantwortung quasi „nach oben“ abgeben. Als neue Geschäftsführung war es aber unser Ziel und damit auch unsere Herausforderung, Führungskräfte aufzubauen, die Führungsverantwortung bewusst annehmen und ihre Abteilungen im Sinne der Unternehmensstrategie gestalten, Entscheidungskompetenz inbegriffen.

Die zweite große Herausforderung zeigte sich in der Führungskommunikation selbst sowie in der Entwicklung eines klaren Arbeitgeberprofils.

2.  FRAGE VPG:

Was war Ihr Ansatz?

ANTWORT Frau Dr. Friers:

Zunächst wurde durch einen Strategieprozess eine klare Positionierung für den Gesundheitsmarkt im Rhein-Main Gebiet erarbeitet. Es ging darum, das Profil als Krankenhaus aber auch als Arbeitgeber zu schärfen. Als Krankenhaus haben wir uns vor allem auf unsere Stärken in der Orthopädie, Gefäßchirurgie und Kardiologie sowie natürlich unsere exzellente pflegerische Versorgung konzentriert. Nicht umsonst belegen wir immer die ersten drei Plätze der besten Klinken im Rhein-Main-Gebiet. Als Arbeitgeber haben wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitern unser Profil erarbeitet. Wir haben unsere Mitarbeiter als  Kunden begriffen.

Im Anschluss daran folgten die Klärung der Aufbauorganisation selbst und die Überprüfung der Ablauforganisation. Ein Prozess der fortlaufend ist.

Das aber wohl Wichtigste war, dass wir sehr schnell eine konsequente Führungskräfteentwicklung aufgesetzt haben. Veränderungen können nur mit den Mitarbeitern erreicht werden. Das heißt, dass Führungskräfte auf ihre Schlüsselrolle im Change-Prozess  vorbereitet werden müssen. Als Kooperationspartner für diese Führungskräfteentwicklung haben wir uns für die Firma v. PRITTWITZ und GAFFRON entschieden, weil man sich hier auf die Besonderheiten unserer Häuser eingelassen hat.

Das Führungskräfteprogramm umfasst Profiling, Eins-zu-Eins Coachings und eine Führungskräfte-Werkstatt, bei der es um Impulse für das eigene Führungswissen geht. Uns ging es nicht nur darum Führungsinstrumente zu vermitteln, sondern um die Entwicklung einer eigenen Führungspersönlichkeit.

Wer Mitarbeiter als Kunden begreift, der ist dann schnell bei der nächsten wesentlichen Herausforderung: dem Aufbau einer echten Arbeitgebermarke. Auch diesen haben wir konsequent verfolgt, wieder gemeinsam mit unseren Mitarbeitern. Das Ergebnis ist sichtbar unter www.teamgeist-erleben.de

3. FRAGE VPG:

Wo stehen Sie jetzt?

ANTWORT Frau Dr. Friers:

Das Wichtigste: Wir konnten die Wirtschaftlichkeit der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken deutlich steigern und schreiben schwarze Zahlen. Im Krankenhausbereich ist das nicht selbstverständlich. Das liegt vor allem am 10%igen Wachstum, das wir in den letzten Jahren vorweisen konnten, denn unsere Strategie hat auch dazu geführt, dass wir eine Vielzahl von neuen Belegärzten gewinnen konnten. Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken sind im Schwerpunkt ein Belegkrankenhaus, wir kooperieren mit niedergelassenen, renommierten Fachärzten. An unserer Arbeitgebermarke arbeiten wir konsequent weiter, ebenso wie an unserer Führungskräfteentwicklung und der Steigerung unserer Effizienz. Man könnte auch kurz sagen: die Veränderung bleibt unsere Herausforderung.

4. FRAGE VPG:

Welche Erfolge konnten Sie mit Ihrem Ansatz verbuchen?

ANTWORT Frau Dr. Friers:

Wir konnten zeigen, dass die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit auch ohne Stellenabbau möglich ist. Wir konnten eine Geschäftsführung etablieren, die vertrauensvoll und offen miteinander arbeitet. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass auch das ein ganz eigener Teambuilding-Prozess war. Was in anderen Branchen bereits üblich ist, nämlich in einem Leitungskreis zu arbeiten, ist in Krankenhäusern noch Neuland. Krankenhäuser waren daran gewöhnt, dass der „Finanzdirektor“ der Chef ist. Und jetzt hatten unsere Mitarbeiter es plötzlich mit drei starken Persönlichkeiten und unterschiedlichen Kompetenzbereichen zu tun. Das kann am Anfang schon ganz schön verwirrend sein. Umso wichtiger ist es, dass die Geschäftsführung sich als Team präsentiert und als Einheit versteht.

Wichtig ist auch, dass wir die Transparenz im Unternehmen erhöhen und das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führung stärken konnten. Vor allem aber haben wir an Profil gewonnen – als Kliniken, aber auch als Arbeitgeber. Das alles war und ist ein Kulturwandel par excellence und ist es noch immer. Das ist der interne Teil. Im externen Teil können wir durch viele Ehrungen, Siegel und Zertifikate glänzen. Aber auch die sind vor allem Ergebnis der guten Arbeit unserer Mitarbeiter. Führungskräfte sollten sich genau dessen immer bewusst sein. Was wir aber auch festgestellt haben: Der  Change endet nie! Gute Organisationen werden sich dauerhaft entwickeln müssen. Flexibilität der Organisation – darum geht es.

5. FRAGE VPG:

Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Führungsthemen unserer Zeit? Was hat man dabei selbst in der Hand? Wo ist man äußeren Faktoren unterworfen?

ANTWORT Frau Dr. Friers:

Die externen Einflussfaktoren auf Unternehmen durch Bürokratie und Gesetzesvorgaben sind groß. Wir werden unserer unternehmerischen Freiheit beraubt – das gilt natürlich besonders in regulierten Märkten wie dem Krankenhausmarkt. Darauf ist man in gewisser Weise auch vorbereitet und doch werden in der Gesundheitspolitik und in der Krankenhausfinanzierung immer wieder Entscheidungen getroffen, die eine strategische Unternehmensführung erschweren. Oder nehmen Sie doch mal das Arbeitsrecht. Wenn es um Arbeitsorganisation geht, wird die große Freiheit beschworen, die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort. Wir alle wollen uns auf die Generation Y einstellen, die ihre Arbeitszeit eigenständig zu regulieren und frei zu arbeiten wünscht. Wir sollen Beruf und Familie vereinen – im Übrigen einer unserer Schwerpunktthemen, mit dem wir  auch zertifiziert sind – aber gleichzeitig haben wir es mit einem Arbeitsrecht zu tun, das individuelle Lösungen im Sinne der Mitarbeiter unterbindet und mehr und mehr reguliert.

Und natürlich kämpfen wir gegen den Fachkräftemangel. Im Gesundheitsbereich ist der schon längst da. Genau damit ist Führung konfrontiert – den externen Faktoren mit Flexibilität zu begegnen, ohne die Mitarbeiterorientierung aufs Spiel zu setzen.

Konkret sind es, so denke ich, drei Stichworte die Führungskräfte im Blick halten sollten: Organisationsentwicklung, Wissensmanagement, Mitarbeiterbindung. Und der Schlüssel dazu ist: Kläre die Strukturen, Prozesse und Verantwortlichkeiten und vertraue auf die Kompetenz und Meinung Deiner Mitarbeiter. Delegiere Verantwortung, keine Aufgaben. Genau darin liegt vielleicht die größte Herausforderung für Führungskräfte: Wer Verantwortung delegiert, muss  Mitarbeitern auch eine Handlungs- und Entscheidungsfreiheit geben. Im Umkehrschluss heißt das, lerne als Führungskraft loszulassen. Kontrolle gehört zu Führung – keine Frage – aber noch mehr gehört dazu: traue Deinen Mitarbeitern etwas zu.

6. FRAGE VPG:

Welche Empfehlungen können Sie aus Ihrer Sicht Unternehmen geben, die sich im Leitungs- und Generationenwechsel befinden?

ANTWORT Frau Dr. Friers:

Genau die Empfehlung: traut den Nachfolgern etwas zu, akzeptiert andere Wege und geht verantwortungsvoll mit der Macht um, die ihr als Unternehmer habt. Stellt das Unternehmensinteresse in den Mittelpunkt, nicht den eigenen Vorteil oder die eigenen Machtinteressen.

7. FRAGE VPG:

Welche maßgeblichen Unterschiede in der Führung sehen Sie als Geschäftsführerin eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, das in die Richtlinien des DRK eingebettet ist im Verhältnis zu anderen Wirtschaftsunternehmen?

ANTWORT Frau Dr. Friers:

Man könnte annehmen dass wir als Unternehmen im Zeichen der Menschlichkeit – dem Roten Kreuz – eine größere soziale Verantwortung haben und allein deshalb ja den Menschen und unsere Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen müssen. Ich für meinen Teil sehe gar keinen Unterschied. Alle Unternehmen sind gut darin beraten, werteorientiert zu handeln. Die Entwicklung wird aus meiner Sicht ohnehin automatisch so sein. Mitarbeiter werden sich künftig die Unternehmen aussuchen, die eine Wertestruktur verkörpern mit der sie sich identifizieren wollen. Der reine Gewinnmaximierer hat aus meiner Sicht lange ausgedient. Und die wichtigste und vielleicht beste Nachricht: man kann auch wirtschaftlich erfolgreich sein, gerade weil man eine klare Werteorientierung hat.

VPG:
Frau Dr. Friers, vielen Dank für das Gespräch!

Frau Dr. Marion Friers ist seit 2012 Geschäftsführerin Personal, Pflege & Kommunikation in den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken. In dieser Funktion verantwortet sie den operativen Bereich. Auch die Leitung der Wirtschafts- und Versorgungsdienste obliegt ihrem Aufgabenfeld.

Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken mit ihren Betriebsstätten Klinik Rotes Kreuz und Klinik Maingau vom Roten Kreuz liegen im Herzen der Stadt Frankfurt am Main und sind zugleich aktiver Teil der weltweiten Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Mit über 500 Beschäftigten, ca. 170 Beleg-, Honorar- und angestellten Ärzten, 365 Betten und ca. 17.000 Fallzahlen jährlich sowie eine hervorragende Pflege durch hochqualifizierte Rotkreuzschwestern und Pflegekräfte gehören sie seit Jahren zu den besten Häusern im Rhein-Main-Gebiet. Beide Belegarzt-Kliniken stehen für höchste Qualität in medizinischer und pflegerischer Versorgung. Zudem sind die Kliniken seit 2013 berufundfamilie-zertifiziert.

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